+ (Archiv.) 1/10 [1855] Bericht Oct. 1855 In diesem Sommer hatten wir mehrere Todesfälle, Gottlob nicht solche über die nur zu trauern wäre. Sie fingen an mit dem schnellen Verscheiden des hoffnungsvollen Catechisten David Jacobi an Cholera (31 Mai) und schlossen mit dem jähen Tod seiner Mutter, welche von diesem letzten Verluste sich nie mehr erholt hatte. Am 25 Juni verlor Catechist C. Stocking seine 2te Frau. Sie war zwar glücklich entbunden worden, doch hatte sich nachher Fieber und Krämpfe eingestellt: welche Mittel auch angewandt wurden der Sturm in den Nerven ließ sich nicht mehr stillen. Wir hatten sie aus ihrer lärmenden Nachbarschaft noch nach Chiracal tragen lassen, und waren so Zeugen ihres kindlichen Dankes gegen Gott und Menschen für alle erzeigte Liebe. Sie hatte schon in der Schwangerschaft, vielleicht geleitet von den Eindrücken welche der Tod der ersten Frau Stocking zurückließ, sich auf eine unglückliche Niederkunft gefaßt gemacht und ihre Rechnung mit der Welt abgeschlossen. Auch im Delirium zeigte sie kindliche Hingebung in Gottes Willen und die selige Hoffnung ihren Heiland zu sehen. Von der ganzen Vedamuttu'schen Familie die seit 1839 aus Tinnevelly sich in unsere Mission herübergezogen, ist sie bis jetzt das einzige zweifellos bekehrte und gerettete Glied. - Bald nach ihr verschied in ähnlicher Weise (an eclampsie) Jesuadial die Frau des Webers Nehemiah. Auch sie war tamulischer Abkunft, und Tochter eines jetzt in Käty angestellten Schulmeisters. Eine engl. Freundin hatte sie, nach einem schweren Fall mir übergeben, damit sie sich in Chiracal zurechtfinde. (1853) Gott hat ihren Aufenthalt gesegnet, sie wurde eine musterhafte Schülerin, und hat auch in der kurzen Ehe, da sie von ihrem heftigen eingebildeten Mann viel zu leiden hatte, sich tiefer ins Geheimniß der Gnade führen lassen. Sie starb unter unsern Gebeten (8 Juli) mit völligem Vertrauen an die Vergebung ihrer Sünden durch Christi Blut. Nach dem Tode noch war ein friedliches Lächeln auf ihren Zügen zu lesen. Dagegen hat ihr Mann uns seither viel Sorge und Not gemacht. Der Herr lasse ihn nicht verloren gehen! - Am 3. Aug starb der Weber Jacob Sundaran am Nervenfieber. Obwohl von Natur schüchtern und leidensscheu, war er doch der entschiedenste und herzlichste von 3 Webern, die um die gleiche Zeit in Chiracal aus den Banden des Heidentums frei wurden. Der Herr hatte ihn durch allerlei schwere Wege geführt und für sein Reich erzogen. Er geht uns nun sehr ab im Cann. Webereigeschäft für das er sich auf die letzte ein Jahr lang in Mang. hatte bilden lassen. Seine Wittwe und einziges Kind hat er mit Glauben seinem Heiland übergeben können. Sie lebt jetzt in Chombala bei ihrem Vater. Nach allen diesen Verlusten schien es uns Bedürfniß zu der Gemeinde einige Seelen hinzuzutun, welche im letzten Jahr auf den Gnadenweg geführt worden waren. Unter diesen ist zuerst zu erwähnen, die alte Amata mit ihrer Tochter Beata und deren 3 Kindern. Es ist dieß eine Nayerfamilie aus dem Süden, aus einer Kaste welche den Dienst im Palast von Trewandram (Tiruwananta-puram) versehen muß. Nach dem Tod des Mannes brachte sich die alte dort kümmerlich durch und der Tochtermann entschloß sich endlich im Norden des Ländchens sein Glück zu versuchen. Er kam nach Kollam (Quilon) und diente dort einigen Geldwechslern bis zu seinem Tode. Nun waren die 2 Wittwen brodlos. Dazu kam daß der älteste Enkel, der schon 12 Jahre hatte, die Hoffnung nährte, wenn er allein sei, etwas rechtes werden zu können. Eines Tags war er verschwunden. Gewisse Anzeichen führten auf die Vermutung, daß er sich weiter nordwärts gewendet habe und die Familie kam nach ihm suchend bis Cochin. Hier blieben sie einige Zeit, bis ein reisender (Kaufmann) sie als Mägde anstellte. Mit seiner Familie kamen sie nach Cannanur und hatten nun 2 Jahre lang ein erträgliches Unterkommen. Der Mann starb, die Angehörigen reisten zur See in den Norden zurück und die Nayer Weiber blieben in großer Armut sitzen. Sie versuchten eins und das andere ohne viel Glück, berieten sich mit allerhand Leuten und fielen endlich in eine pfiffig gelegte Falle. Ein Schmied von niederer Kaste sah die 11jährige Enkelin der Alten und gedachte sie zu seinem Weib zu machen. Der Kastenunterschied stand im Wege, daher bestach er einen Nachbar der Frauen, und schickte ihnen durch denselben allerhand Geschenke. Diese wurden dankbar aufgenommen und auf ihre Nachfragen gesagt: Diese Gaben kommen von einem Tempeldiener (Halbbrahmanen) der sich für sie interessire. Eine Bekanntschaft wurde eingeleitet, und da die armen Leute an allem froh waren, war bald beschlossen, die Kleine solle den Tempeldiener heiraten. Die Hochzeit wurde kleinlaut gefeiert und Mutter Geschwister und Großmutter folgten nun dem Ehepaar in die neue Heimat in Anjercandy. War der Mann unansehnlich, so war das Haus ärmlich. Weder kamen Besuche von höheren Kasten, noch wurden Blumenkränze für den Tempeldienst geflochten - dagegen trat hie und da jemand herein und sprach von Eisenarbeiten und am 4. Tag endlich sahen sie den Mann Feuer machen und schmieden. Nun war der Betrug entdeckt, und die Kaste durch das bisherige Zusammenessen eingebüßt. Was hätte es geholfen Vorwürfe zu machen: Sie mußten bleiben dankbar daß sie ein Obdach hatten. So wills das Schicksal, war der einzige Trost den sie unter diesen Umständen hatten. Nach einigen Monaten mußten sie aber gewahr werden, daß der Schmid müde war, die alten zu ernähren. Sie duckten sich so gut sie konnten, vermochten aber nicht es ihm recht zu machen: einigemal brach auch der verletzte Nayerstolz der Wittwen in offene Schimpfreden aus. Eines Tags da die Großmutter sich waschen wollte, nahm sie das heiße Wasser das auf dem Kochherd stund zum Bad, gerade während der Schmid der dießmal sich des Kochens angenommen hatte, hinausgegangen war. Das Wasser das beim Baden zuerst auf den Arm fiel machte eine tüchtige Brandblase. Zum Ueberfluß zeigten sich Stücke einer arana Eidechse (lacerta interpunctata?) im Kochhafen; woraus sie ersah, daß der Mann sie zu tödten beabsichtige, denn das Fleisch der arana wird nur zum Vergiften gebraucht (Ich muß dieß glauben, obgleich ich es in der Naturgeschichte nicht finden kann,) auch der Bruder des Schmids hat mirs bekräftigt. Es kam zu einer polizeilichen Untersuchung, die geschreckten Weiber wollten aber keine Klage vorbringen und suchten nur einen sicheren Zufluchtsort. Der Anjerc. Catechist predigte Ihnen Jesum und beredete sie zu uns nach Chiracal zu kommen. Hier sind sie nun schon über ein Jahr, die 10monatliche Ehefrau Mathilde ist eine aufgeweckte Schülerin geworden, ihr Bruder Jo‰l gedeiht im Tellich. Waisenhaus. Mutter und Großmutter lernten eifrig und zeigten sich dienstfertig und bescheiden. Ich konnte sie daher mit guter Hoffnung taufen; doch ist diese nicht ganz gerechtfertigt worden, indem die Alten wie leider so viele sich nach der Taufe etwas lässiger und anspruchsvoller gezeigt haben, als in ihrem Probejahr. Wird z.B. einer vorgeworfen, daß sie ein unanständiges Wort gebraucht, so kann sie jetzt sagen, ists ein Wunder wenn mir der neugetauften so etwas entfällt? gibts hier doch alte Christen vor 5 und 10 Jahren getauft die noch nicht über dergleichen hinaus sind. Mit allen ihren Schwächen aber machen sie doch, glaube ich, unverkennbare wenn auch langsame Fortschritte. Die andere Frau Viramma ist aus einer guten Madras Familie von Glasringemachern und war in ihrer Jugend an einen Mann ihrer Kaste verheiratet. Später wurde sie von einem Pondicherry (Pudu-tcherri "Neumarkt") Katholiken verführt vor ein Schiedsgericht der Kastenhäupter gestellt, vom Manne verstoßen und von den ihrigen abgesondert eingeschlossen. Sie hielts für besser ihren Verführer aufzusuchen, der schnell entschlossen sie bei sich behielt, und sein rechtmäßiges Weib ihren Eltern zurückschickte. Damit hat er sich die 18 Jahre hindurch, welches dieses Concubinat währte der fortwährenden Rüge der Priester ausgesetzt, ohne doch je sich zu unterwerfen. Die Folge war, daß V. nur dem Namen nach Katholikin werden konnte. Wohl hat sie einmal in einer Krankheit vom katholischen Katechisten eine Art Nottaufe erhalten, welche aber nach hiesigem Brauch bälder oder später durch eine wirkliche Taufe von Priesterhänden erst bekräftigt werden muß, und diese konnte sie nie erlangen. Ihr Mann Miguel war lange Knecht von Offizieren des 5ten M.N. 2 Regiments. Mit einem von diesen kam er vor etwa 2 Jahren nach Cann. und dessen Nebenstation Manantoddy. Dort ließ er einmal seinem Jähzorn freien Lauf, wurde auf der Stelle entlassen und fand Dienst bei den Kaffeepflanzern jenes Districts (Wayanadu). Das Leben dort gefiel ihm, er blieb 9 Jahre in jenem Bergland, während andere Eingeborene oft bald vom Fieber vertrieben werden und hätte etwas Bedeutendes erspart, wenn seinem Herrn nicht das Geld ausgegangen wäre. Er mußte sich mit ihm leiden, wollte aber weil mit der Leitung des Ganzen betraut, nicht zurücktreten, sondern hielt auf der Pflanzung aus während der Meister in Mahe dahin siechte und starb. Jetzt war guter Rat teuer. Die Pflanzung fiel in die Hände der Obrigkeit welche die Erben ausfindig zu machen und die Schuldner zu befriedigen hatte. Miguel, der den rückständigen Lohn von Monaten zu fordern hatte, wurde je länger hingehalten desto ungeduldiger. Herr Conolly vertrat seine Ansprüche und ließ ihn baldige günstige Entscheidung hoffen. Der Mann zog mit Weib und Kindern nach Calicut und verlangte schnellen Bescheid: er wurde immer zudringlicher und einmal da er am Fuß von Conollys Hügel sich ein grobes Wort erlaubte hieß ihn der Beamte gehen. Das war zuviel für den heftigen Mann. Er rief ich gehe, lehnte sich über die geladene Flinte und fiel durchs Herz geschossen zu Conollys Füßen. In der Nacht beerdigten ihn die katholischen Knechte mit so viel Gebetlein als sie wußten. Die arme Frau mit 4 Kindern wurde von Conolly an den Tellicherry Richter gesandt der die Geldansprüche des Mannes zu untersuchen hatte. Dadurch kam die Frau zu Br. Irion der die 2 Knaben aufnahm, während wir die Mutter mit den 2 Töchtern haben. Sie hat schon viel ausgestanden, sieht sehr nüchtern auf ihr Leben zurück, und findet wahren Trost im Evangelium. Ihr Benehmen ist untadelig, sie dient in aller Stille, ohne müde zu werden und findet sich auch in die Trennung von den Knaben welche ihr Anfangs das Schwerste war. An gutes Essen gewöhnt findet sie einige Schwierigkeit sich mit der hiesigen Kost zu begnügen. Am 12. Aug. taufte ich sie mit der obigen Familie. Sie heißt jetzt Theresa und fährt fort durch ihren Wandel in der Wahrheit uns Freude zu machen.