(Archiv.) + Chiracal, 12-16 Okt 53. 3ter Quartalbericht. Da ich das letzte Mal keinen Bericht geliefert habe, will ich diesmal kurz zusammenfassen, was sich in den letzten 6 Monaten hier zugetragen hat. Am 12ten Mai während Br. Hebichs Abwesenheit kam der liebe Br. Alcock als Caplan nach Cann. blieb aber nur bis zum 24. Juni. Es macht mir Freude zum Preis des Herrn sagen zu können, daß wir und die engl. Brüder herzl. Gemeinschaft mit diesem edlen Manne hatten. Er hat auch seither in Madras, wo wir für allzu ausschließlich, besonders gegen die engl. Kirche gehalten würden, unserm guten Namen bei der Brüderschaft anerkennenswerte Dienste geleistet. Vom 13-29 Aug. war der liebe Mögling auf Besuch in Cann. und Chiracal. Er wollte besonders Stephanas Frau und Kinder in eine nähere Gemeinschaft mit christlichen Geschwistern bringen, und ließ sie am 21ten mit uns ihr erstes Abendmahl genießen. Er brachte einen jungen Secondlieutent Martin von Mercara mit sich herab, welcher kürzlich erweckt noch nicht klar über sich geworden war. Er scheint bei Br. Hebich das Nötige gefunden zu haben und kehrte um ein Gutes heiterer an seinen Platz zurück. Ich begleitete Mögling (24 Aug) nach Anjercandy, das er seit 13 Jahren nicht besucht hatte und nun bedeutend zum Bessern verändert fand. Br. Hebich war vom 21 Aug - 27 Sept auf der Reise in den Süden. In dieser Zeit predigten für ihn teils Br. Mögling, Fr. Müller und Chr. Müller, teils Br. Diez und ich. Zugleich leistete uns Br. Mögling einen Dienst durch seine Bekanntschaft mit dem letzternannten Caplan Fennell nachdem nämlich Catechist Gnanamuttu, weil es ihm mehr um Gelderwerb als sonst etwas zu tun war, unserm Drängen nachgebend (12 Aug.) seine Entlassung genommen hatte, war der Caplan daran ihn ohne Anfrage bei uns zu seinem Unterküster zu ernennen und mit der Aufsicht über das Armenhaus u.s.w. zu betrauen. Mögling aber stellte ihm vor, daß Gn. kein gutes Zeugniß von uns habe und so zerschlug sich die Anstellung. Während Br. Hebichs Abwesenheit entschlief (21 Sept) die Frau des Catechisten Carl Stocking, von deren Hochzeit ich vor einem Jahre erzählt habe. Sie war etwas unruhig über ihre bevorstehende Niederkunft gewesen und wurde noch im letzten Monat von einem heftigen Durchfall geschwächt. Gerade als unser Chiracal Catechist Jacob auf Besuch in Taliparambu war, kamen die ersten Wehen (14 Sept.) Die eingeborene Hebamme, welche ihr beistand, scheint sehr unerfahren zu sein - kurz wie es auch gieng die arme Frau litt entsetzlich, kündigte auch ihrem Mann entschieden an sie sterbe nun, es solle ihm aber nicht um sie bange sein, sie sei mit dem Herrn im Reinen. Am 17. ließ ich sie in einem Mangil holen und ins Hospital bringen. Dort entband sie eine Hebamme ohne alle Mühe von einem erst kürzlich gestorbenen Knäblein. Sie schien sich zu erholen zu großer Freude ihres hart mitgenommenen Mannes, der 3 Tage lang Essen und Schlafen fast gänzlich vergessen hatte. Aber am 19ten zeigten sich die Merkmale von Entzündung. Sie litt schwer als ich ihr Abends das Abendmahl reichte, konnte sich aber sammeln und war dankbar für allen geistlichen Beistand. Am 21ten früh morgens entschlief sie nachdem sie 12 Stunden lang besinnungslos dagelegen war. Ihr Mann pries den Herrn unter Tränen für alle durch sie erfahrene Liebe. Br. C. Müller der gerade auf Besuch hier war übernahm ihr Begräbniß und leistete ihr damit den letzten Dienst wie er vor 7 Jahren ihr auch zuerst die Hand zum Uebertritt aus dem Heidentum hatte reichen dürfen. Bälder als wir dachten, ist sie ihrer (vor einem Jahr entschlafenen) Tante Sneham nachgefolgt. Sie hinterläßt einen jüngeren Bruder der vor 4 Jahren von Chombala entlief und sich von den Muhamedanern fangen ließ. Es glückte uns einmal, als Martha noch in der Schule war, ihn bei einem Besuch festzuhalten, er hielt sich dann etliche Wochen bei den Cann. Gemeindeschülern auf - weil sie aber wiederholt auf nicht sehr zarte Weise ihre Verwunderung ausdrückten, wie er so schnell in Geberden und Reden ein vollkommener Mapla geworden sei, lief er davon und ist seither verschollen. Ich kann die Hoffnung nicht aufgeben, der Herr werde dieses verirrte Schaf doch noch finden. Mit unserm Mädchenschulmeister Joseph Candappen giengen wir durch eine eigene Prüfung. Seine 2 Knaben im Districtwaisenhaus zu Tellicherry, litten sammt andern Schülern an einem etwas hartnäckigen Ausschlag. Dies erfuhr er gelegentlich, und war böse daß mans ihm nicht geschrieben hatte. Er schickte seine Frau auf Besuch hinüber, hörte aber noch beunruhigendere Nachrichten und lief ihr alsbald nach. Ich muß hier bemerken, daß die Eingeborenen eine besondere Freude daran haben wenn sie über Feld gehen, möglichst viele Leute zu sehen, um den Verwandten derselben Bericht von deren Befinden abstatten zu können. Dann scheint es ihnen aber wünschenswerter von Krankheit als von Wohlbefinden erzählen zu dürfen. Es sieht so teilnahmlos aus, nur zu sagen: Dein Sohn oder Schwager ist gesund und läßt Dich grüßen. Viel interessanter ists wenn man sagen kann so und so stehts, der und der Arzt schüttelt den Kopf, das und das Mittel wird gegeben, scheint aber nicht anzuschlagen. Noch wichtiger wird der Bote, wenn er den unvermeidlichen Tod ankündigt. Unser Joseph nun, gehörig erschüttert eilte auf einen Tag hinüber und fand die Kinder noch nicht hergestellt: er kam zurück, und bat sie hieher nehmen und durch einheimische Mittel gesund zu machen, zweifelte ob den Knaben die rechte Pflege zu Teil werde, und war so böse und glaubenslos wie ich ihn seit 13-14 Jahren kaum gesehen hatte. Ich warnte ihn, gieng selbst (5 Aug) nach Tellicherry, die Knaben zu sehen, und erlaubte zuletzt seiner Frau, sie herüber zu bringen, kündigte aber der Familie an, daß der Herr ihnen das gewiß nicht hingehen lasse. Die Frau war weich, er aber beugte sich nicht. Bald ergriff ihn eine hier umgehende Grippe: andere erholten sich, von ihm wollte das Fieber nicht weichen. Nun wurde er ängstlich und demütigte sich (4 Sept) über seine Vermessenheit. Aber keine Arznei wollte anschlagen. Vom 7 Sept - 1 Oct. war er im Spital ohne Besserung zu finden: ich besuchte ihn täglich, und fand ihn von Ungeduld und Unlittigkeit herumgetrieben. Der Glaube daß seine Sünde vergeben sei, wollte sich nicht einstellen. Jetzt ist er unter des lieben Dr Foulis Behandlung und erholt sich allmählich. Wenn er zurückkommt, werde ich ihm wohl noch Ein und das Andere zu sagen haben, um das Verlangen nach einem wahrhaft neuen Wesen in seinem Herzen, Haus und Amt bei ihm ernstlich anzuregen. An dem lieben Dr. Foulis haben wir - beiläufig gesagt eine rechte Entdekkung gemacht: Er versteht seine Kunst und ist überaus hilfreich und besorgt für uns und unsere Leute. Schon hat er eine Anzahl kranker Frauen von Chombala und Chiracal unter der Kur gehabt darunter auch unsers Catechisten Jacobs Weib Rachel, welche 2 Monate lang in Cann. unter seinen Händen war und von einem alten Uebel so ziemlich befreit zurückkam. Am 8. Mai hatte ich die Confirmation von 7 Mädchen, welche sich seither alle gut gehalten haben und beweisen, daß sie unter der Zucht des Geistes stehen. Ich habe nun die Vorbereitung auf das h. Abendmahl bei allen unsern Chiracal Leuten wieder übernommen, nachdem Br. Hebich sie 4 Jahre lang für mich versehen hatte. Merkwürdig wurde mir bei dieser Gelegenheit besonders die Schilderung, welche eine geborene Katholikin Annamma von ihrer früheren Religionsmengerei gab. Da sie immer im Dienst von Damen war, hatte sie selten Zeit die (kath.) Kirche zu besuchen: ihre Mutter unterzog sich dieser Pflicht für sie: natürlich blieb sie sehr unwissend, hat auch in ihrem ganzen Leben (von etwa 40 Jahren) das Abendmahl nur einmal genossen. So oft sie unpäßlich oder nervös gereizt wurde, fragte sie ihre Mutter um Rat. Diese suchte denselben bei andern alten Weibern - für jedes Wehe wußten diese irgend ein heidnisches Tempelchen der Umgegend anzugeben von welchem, wenn man ein Stück Geld dort opfere, alsbald Kraft zur Genesung ausgehe. Sie hat einige probirt und wurde darauf besser. Ebenso hat sie von Katholiken gehört daß man wohl daran tue sich bei den heidnischen und muhamedanischen Festen mitzufreuen. Darum habe sie auch den Alla Swami (Gott der Muselmanen) sich günstig zu machen gesucht und in die Freudenfeuer, welche die muhamedanischen Sipahis ihm an Festtagen anzünden, auch ihr Bündelchen Holz geworfen. Verkäufer stehen nämlich in der Nähe des Feuers, mit Bündeln von Scheitern, um auch dem Armen und Fremden es möglich zu machen, am Verdienst dieser Werke teilzunehmen. Bei allem dem hatte die arme Frau keine Ruhe und wünschte wiederholt zu uns in die Missionskirche kommen zu dürfen, wo sie hoffte mehr Befriedigung für ihre Seele zu finden. Endlich kam ihre Stunde - die fromme Frau Young, der sie zuletzt diente, machte es ihr leicht den Gottesdienst zu besuchen. Nun aber fühlte sie sich in Kurzem von Geistern verfolgt und glaubte ihre Leiden den Zaubereien der Verwandten zuschreiben zu müssen. Sie suchte sich zuerst durch Gegenzauber zu helfen, forderte aber, darüber bekehrt dem weisen Mann das vorgestreckte Geld wieder ab. Wohl ist sie, durch oben erwähnte Sünden, schon lange in die Gemeinschaft der Dämonen verflochten gewesen. Sie mußte für einige Monate ihren Dienst aufgeben und hat nun wie es scheint bei uns mehr Ruhe und Erleichterung gefunden, als ihr in Cann. zu Teil geworden wäre. Obgleich noch ziemlich unwissend, ist sie doch redlich und sehr bemüht ihre böse Mutter und andere Verwandten zu gewinnen. So oft sie auch von diesen um ihr Geld betrogen worden ist läßt sie sich doch immer wieder bereit finden andern zu dienen. Martha, die Schwester des sel. Thomas, gab uns recht zu tragen. Sie ist geistesschwach und schwachsinnig, hatte zwar eine Zeit lang Freude am Gebet, versank aber schon über ein Jahr lang in ein völliges Traumleben. Sie sah Tag und Nacht den Nayer mit dem sie in Ihrer Jugend eine zeitlang zusammengelebt hatte, vor sich stehen, oder vernahm plötzlich eine Stimme: Dieser da wird Dich heiraten - glaubte auch einmal von der Kanzel ihre Verlobung mit einem Katechisten verkündigt zu hören. Die Enttäuschungen wurden ihr immer schwerer zu tragen, sie hörte am Ende gar keine Vorstellungen mehr an. Zuletzt entschloß sie sich zu sterben, sie nahm Tage lang keine Speise zu sich; Drohen und Zureden war ganz umsonst, sie war ganz heilig in ihren Augen, und wollte uns nicht länger belästigen, sondern in den Himmel gehen u.s.w. Um die Mitte Sept. lag sie völlig unbeweglich, wie taub und stumm, auf ihrem Lager in tierischem Schmutz. Wir beteten viel für sie. Als die Not am größten war und wir ihrem Tode entgegen sahen hörte Gott unser Gebet. Sie kam wieder mehr zu sich: erkannte ihre Sünde an, und schien sich endlich auch vor Tod und Gericht ernstlich zu fürchten. Jetzt ist sie so ziemlich hergestellt bittet um Verzeihung und läßt wieder mit sich reden. Ihre Niece, die wirklich bekehrte Dorcas, welcher sie sonst nie Gehör gab hat nun die Freude mit ihr ohne Scheu über den Heiland sprechen zu können. Von unsern Taufcandidaten - der im Aprilbericht erwähnten Tierfamilie, und dem jungen Nayer Cannara von Taliparambu, der seit dem 7. Juni bei uns arbeitet kann ich im Ganzen gutes berichten. Namentlich ist die früher so bitterböse Martha jetzt gebeugt über ihre Sünden, und auch ihr halbtauber Mann Jona scheint allmählig zu begreifen was der Herr von ihm will. Von den Mädchen starb eine Rosine (28 Juni) 12 Jahre alt ohne daß sich viel von ihrem Glauben sagen ließe. Sie hatte ihre heidnische Mutter * sehr ermahnt doch ja bei uns zu bleiben. Diese hielt es aber nicht länger aus gebunden zu bleiben: und nahm am 8 Sept. auch Rosinens jüngere Schwester, die getaufte 8jähr. Jemimah welche sie vor 2 Jahren uns unbedingt übergeben hatte, auf ihr Vagabundenleben mit. Hoffentlich bringt der Herr wenigstens die Kleine wieder zu uns. - Es sind 9 Kinder gekommen einige auch wieder abgegangen. Doch da meine Frau hierüber gewöhnlich dem Frauen Comite Bericht erstattet will ich mich nicht aufs Einzelne einlassen. Vom 25 Sept - 1 Okt war ich abwesend indem ich in Calicut mit Br. Fritz und Irion der Revision des ersten Evangeliums 3 Tage zu widmen hatte. Noch will ich hier erwähnen, daß auf jenen - in der Districtsconferenz behandelten - Antrag den mir Herr Anderson von Mangalore machte die Kosten für 1-2 Colporteure im südlichen Teil Canaras zahlen zu wollen, Br. Hebich 3 von unsern Leuten dahin abgesandt hat. Leider war kein geborener Malayale dazu verwendbar. Er hat Stocking und Diego mit einem Tamilchristen dazu auserlesen. Am 10 Okt. sind sie auf ihre Tour abgegangen und es wird wohl nicht ohne Frucht bleiben, daß der erste Schritt getan ist, jenem District (dem Becal Amt) bis an die nördliche Grenze des Malayalam Sprachgebiets das Evangelium zu verkündigen. Tschirakal 12-16 Okt. 1853 H. Gundert.