Chir 2 Aug 53 Liebe Eltern Euer liebes Schreiben - die erste Intimation der Berufung auf die Nilg. (welchem der amtliche Brief in wenig Stunden folgte) hat mich wie ein electrischer Funken betroffen: mehr unangenehm als das Gegentheil. Ich beschloß es der Frau zu verhehlen bis ich mehr wisse, die las aber unterdessen der lieben Jette Brief, welcher eine Andeutung erhielt, und plagte mich dann nach Weiberart, mit Exaggerationen, "ob ich nach Hause berufen sey" etc bis ich ihrs sagte. Zum Lohn hatte sie dann schlaflose Nächte vor der Zeit. Wegen ihrer Gesundheit war durchaus nichts zu sorgen, so war also eure Freude über den Wechsel in dieser Beziehung nicht tief begründet. Sie von den 52 Mädchen und etlich und 15-20 Weibern loszutrennen, ist für sie viel schwerer, als ich leicht sagen kann. Ich bin leichter abzutrennen, da ich in der hiesigen Gemeinde fast nichts zu thun habe: doch thut es auch mir weh von Malayalam Boden versetzt zu werden, ganz abgesehen von der neuen Anstalt, über deren Sinn und Zweck ich noch gar nicht im Klaren bin. Einen Augenblick hieß es bei mir: wenn ich nicht mehr Missionär seyn soll, warum dann nicht lieber nach Hause. Aber ich konnte dem Gedanken kein Gehör geben. Ich überdachte dann die Namen der Väter (Irion F Müller Huber Ammann Bührer Albrecht und selbst) welche 9 Knaben abzuliefern aufgefordert sind, und dabei erschien es mir als höchst zweifelhaft wie ich 5 Knaben kriegen soll. Davon aber, ob nähmlich eine Majorität der 9 abgegeben werde, wurde die Errichtung der Anstalt und also alle meine weitern Schritte abhängig gemacht. So kam ich nun vor Gott zum Entschluß wenn mir 5 Knaben anvertraut werden, wolle ichs in Gottes Namen annehmen und Seinen Willen drinn erkennen: wenn nicht, so wolle ich den ganzen Gedanken auch entschieden fallen lassen und in meiner Arbeit weitermachen, als sey nichts dazwischen gekommen. Alles das fieng am 15 July an, seither also in 2 1/4* Wochen hat sich noch kein Br. pro oder co erklärt: ich habe nun noch 2 Wochen zu warten, dann werden wohl alle ihre Erklärungen abgegeben haben, und ich weiß wie ich daran bin. Mir liegt nur dran, daß Gottes Wille ausgeführt werde. Der Comm. zwar traue ich nicht ganz, daß sie dasselbe will, sondern kann mich wieder und wieder des Gedankens nicht entschlagen, sie wollen eben irgendwie die lieben Kindlein ferne von sich halten und der Christenheit den Anblick dieser natürlichen Zeugung und misrathenen Erziehung ihrer Missionäre ersparen: aber dem allem mag so seyn und der liebe Gott kann doch Gutes für uns darunter verdeckt halten, wie wir bei etwaigen Kriegen oder andern Wechselfällen erfahren durften. Also die Sache ist mir zu groß als daß ich schnell entscheiden möchte, und so wie es geht, hoffe ich Schritt vor Schritt den Finger Gottes drinn sehen zu können. Wenn ich an die väterliche Sorge der Brüdergemeinde oder die edle Anstalt der Church Mission für Miss. Kinder denke, überfällt mich eine gewisse Wehmuth: denn nun stehe ich mit meinen 3 Kindern als Ausnahme da, den andern solls nimmer so gut werden, sogar das Deutsche findet ganz1 keinen Platz im Prospectus der Anstalt, während es in der Katechistenanstalt in Mang eingeführt ist. Daher die Brüder die Köpfe schütteln und sagen also diesen Knaben aus den Heiden sollen "die Schätze der deutschen Litteratur aufgethan", soll "Verkehr mit der Comm." möglich gemacht werden; die Missionskinder nur sollen möglichst entdeutscht werden. Aber der HErr thue nach Seinem Wohlgefallen! kein Zweifel, Er wenigstens will das Allerbeste für diese Kinder und wird sich auch hierin erzeigen nach Seinem Wort. - Die Bitte ans Consistorium habe ich die Committee zu besorgen ersucht: weil auch ao 46 Insp Hoffmann sie für mich that. - 5 Taufscheine von Tell. habe ich über Basel geschickt, übrigens nahm ich ao 45 die älteren mit: sie müssen irgendwo im Bibelhaus liegen. Impfscheine gibts nicht, an dergleichen denkt hier Niemand. Wegen des lieben Samuels habe ich schon geschrieben * und wüßte nicht was beisetzen. Wählt er selbst etwas ordentliches ausführbares, seys Kaufmann Mechanikus oder sonst was, so ist es uns ganz recht. Hat er aber Lust zum Landexamen machen, so ist mirs doppelt lieb, im Gedanken, daß dann die 2 in Tüb 3 Jahre beieinander wären. Aber wie leicht täuschen wir uns mit diesen Gedanken: also will ich nicht mehr gesagt haben. Wegen des Gelds sorge ich nicht. Jährliche Zinsen von etwa 4500 Ffcs, im Belauf von 3 1/2 pct, stehen uns immer zu Gebot. Mit Gottes Segen reicht das schon zu knapper Noth. Und anders sollens die Knaben nicht haben. Hast Du irgend wie Veranlassung dazu, so bitte ich Dich, lieber Vater, ohne weitere Anfrage, die liebe Uranie um Auszahlung dieser Zinsen (am besten vielleicht durch bills auf Basel) zu bitten. Sie hat sich bereit erklärt zu jeder Zeit das gerne zu thun. Sie besorgt die Güter in Corc. und ist glaub ich nur betrübt, daß sie unsern Weinstöcken nicht die schönsten Trauben anhängen kann, das Arbeiten dran verdrießt sie nie. Marie sollte diesen Sommer dort Vacanz halten. Ob sie es wohl ausgeführt hat? Der lieben Jette einstweilen herzlichen Dank für ihren interessanten Brief und die dichterische Beilage. Ueber letztere habe ich an Ernst eine Frage gethan, die ich gern beantwortet hätte. - Neues ist nicht viel zu sagen, Gottes Gnade ist alle Tage neu! Die Kleinen wachsen fröhlich heran David war letzthin das erstemal leidend, spie aber fast alle Arznei aus - mit homoeopath, und Wasser wich aber das Fieber, und er ist wieder lustig. Mit herzlicher Liebe und Grüssen an alle Lieben Euer Herrmann