Ans Komite. Quartalbericht. + Chiracal, 3. April 1852. Diesmal schäme ich mich fast, wenn ich mich darauf besinne, was ich über die Arbeit von ganzen 3 Monaten berichten soll. Denn über dem Besuch des lieben Herrn Insp. und allem was damit zusammen hängt, ist diese Zeit auf eine Weise vorbeigeflogen, welche für eine regelmässige Missionstätigkeit kaum Gelegenheit übrig liess. Ich will aber suchen die Hauptmomente dieses Vierteljahrs kurz zusammenzufassen. Das Jahr fieng an (4. Jan) mit dem Aufstand der Mapla in der Nähe von Anjerc., der 30-40 Menschenleben kostete und zunächst unsre Anj.gemeinde, sodann auch uns sehr in Anspruch nahm. Die Leute dort waren nehmlich sehr erschreckt, insbesondere aber zagten die Herren, und umgaben sich mit den Christen, als den in solcher Notzeit allein noch zuverlässigen Dienern; sie liessen sie Tag und Nacht patrouilliren. Wegen dieser ausserordentlichen Anstrengungen und Versuchungen wurden ihnen etliche Cann. Brüder zur Verstärkung und Ermunterung zugeschickt. In jener Zeit liessen die Maplas mehrmals Drohungen gegen mich fallen als wollten sie in Chiracal einen Nachtbesuch abstatten Es ist aber alles glücklich vorübergegangen, und ist auch zunächst keine Wiederholung solcher Excesse zu fürchten Vom 10-15. Jan. war Herr Inspector in Chiracal und Cann, auf Besuch, und den 16. brachte er in Anjerc. zu. Wir haben alle Ursache uns dieser Visitation zu freuen, und hoffen sie werde auch für unsre Station nicht ohne Frucht bleiben. Da das Protocoll Ihnen über das Einzelne Bericht abstattet, will ich der verhandelten Punkte nicht weiter gedenken. Die damals beschlossene Besetzung von Talip, drohte unserm Chiracal einen bedeutenden Verlust, indem zunächst unser Kat. Jacob für die neue Aussenstation bestimmt war. Auch ihm selbst ging diese Versetzung nahe. Es zeigte sich aber bei längerer Ueberlegung, dass er hier schwer zu ersetzen sein würde; und überdies regte Hr. Insp. im Verlauf den weitern Gedanken an, dass er wills Gott zur Vorbereitung auf eine später einmal vorzunehmende Ordinirung deutsch lernen sollte, daher er nun aufs neue bei uns belassen worden ist. Er macht uns viel Freude durch s. ernsten Wandel in den Wegen des Herrn, und die Bereitwilligkeit mit der er die frohe Botschaft in der Gemeinde und unter den Heiden treibt. Einen wirklichen Verlust erlitten wir durch die Abreise von Schwester Kegel. Nachdem sie im Januar die Schularbeit aufgegeben hatte, um zu ihrer bevorstehenden Verbindung mit Br. Stanger Zurüstungen zu treffen, suchten wir durch unsre 17jährige Margaret Will, unterstützt von der 14jährigen Elisabet Blandford die Lücke auszufüllen. Am 1sten Febr. - es war gerade der Morgen eines Abendmahl-Sonntags - kam Br. Stanger hier an, und machte die Bekanntschaft s. Braut. Durch ein glückliches Zusammentreffen, erhielt diese am selben Tag, die directe Genehmigung ihres Schritts von Seiten der verehrten Frauengesellschaft. Am Abend aber begleitete uns Br. Stanger nach Calicut, wo wir (dh. Mögling, Hebich und ich) zur Districtskonferenz mit den übrigen Brüdern von Malabar zusammentrafen, - und besuchte auf dem Rückweg auch Chombala und Tellicherry. Am 10. traute ich diese lieben Geschwister, - der erste kirchliche Akt den ich nach 32 Monaten vollzogen habe. Damit ich nicht zuviel tue, hielt Br. Hebich die Hochzeitrede. Am 12. war der Abschied, welcher der lieben Schwester Stanger, und besonders meinem ältesten Knaben, den sie in seiner Kränklichkeit viel verpflegt hatte, ziemlich sauer wurde. Sie reisten dann über Mangalore, Mulki, Shimoga, und langten nach längerem Aufenthalt in Dörfern ihres Gebiets am 23. März in Bellary an. Den Tag nach ihrer Abreise stellte ich die neuen Gehülfinnen den Mädchen vor und ermahnte sie zur Folgsamkeit gegen diese - teilweise Altersgenossen und früheren Gespielinnen. Ich habe die Freude sagen zu können, dass beide ihr Geschäft zu unsrer Zufriedenheit verrichten. Macht sich an der Blandford auch noch mancher kindische Zug bemerklich, so ist dafür die Will recht tüchtig, und geniesst so viel Ansehen von den Kindern als sie braucht. Wir sind froh die Schule in dieser Beziehung so wohl beraten zu wissen. Von Zuwachs der Schule ist kaum zu reden. Am 9. Febr. Morgens, starb die 14jährige Naomi an einer Art Auszehrung, jenes Mädchen dessen Eintritt im October 1850 jenes Sturmlaufen auf unsre Wohnung hervorgerufen hatte. Vater und Grossmutter waren kurz vor ihr, wir hoffen selig gestorben, ohne doch einen entschiedenen Zug nach dem Himmel bei ihr zurückgelassen zu haben. Sie liess für sich und mit sich beten und fühlte dass im Tode Christus allein helfen könne; ob sie aber zur rechten Sündenerkenntniss durchdrang ist uns nicht deutlich geworden Dafür sind im März 2 sehr junge Mädchen eingetreten. Auch kam ein Nayer-weib mit ihrem Säugling zu uns, deren Familie von der Cholera im Sturm weggerafft worden war, worauf sie aus Schrecken Haus und Hof verliess, und der Kaste verlustig wurde. Sie scheint halbnärrisch zu sein, und misshandelt ihr Kind zuweilen auf erbärmliche Weise. Mit meiner Gesundheit hats einen weitern Schritt zur Besserung getan. Mein Arzt hat etliche Instrumente erfunden oder doch vervollkommt, um damit wöchentlich einmal eine Auflösung von Höllenstein in die Luftröhre zu bringen; ich spüre mich zusehends - auch hörbar - besser unter dieser Behandlung. Während mir die Sitzungen bei der Visitation im Januar, und auf der Districtsconferenz im Februar noch merklich zusetzten, habe ich im März mich ohne Beschwerde den Arbeiten der Liturgie-commission unterzogen. Ebenso hat mir auch zum Missioniren in Gesprächen die Stimme nicht versagt. Die Heiden werden im Ganzen zutraulicher und höflicher. Die meisten Besuche kommen aber aus bloser Neugierde oder um für leibliche Uebel Abhülfe zu suchen. Der Radscha ist noch immer freundlich und dienstfertig. Da aber seine Ausgaben immer seine Einnahmen übersteigen, ist er seit seiner Erhebung mit irdischen Sorgen beladen, und gegen geistliche Eindrücke um so verschlossener. Neulich passirte ihm ein rechter Unschick. Im Haupttempel des Orts wird die Bhagavati jeden Morgen herumgetragen. Der Pidaras (oder Durgapriester) dem dies Geschäft obliegt, wurde während er das Goldbild trug, von heftigen Leibschmerzen befallen; er lief was er konnte, um es sicher abzulegen, aber ehe er sichs versah hatte er sich und seine Kleider beschmutzt, und in der Bestürzung warf er den Götzen von sich. Dies hat die hohen Herrschaften in grosse Verlegenheit gebracht, umsonst suchte man den Vorfall zu verhehlen. Die Sühne und Reinigung wird über 200 Rup. kosten. Da dies nur wenige Wochen nach der Leichenfeier seines Vorgängers vorgefallen ist, bei welcher Gelegenheit die Tausende von Brahmanen-gästen ihm den Seckel gründlich geleert haben, weiss er nun kaum wie sich durchzuwinden. Von solcher Art sind die Miseren des vornehmen Lebens hier zu Land. Meine schriftlichen Arbeiten sind kaum zu nennen. Ich hatte die Protokolle der Cannanore Visitation und der Distriktskonferenz auszufertigen, sodann über den Fortgang der Bibelrevision zu referiren, ein Grundbuch für die Station Cannanore anzulegen, und auch insbesondere mich auf die Arbeit an der Liturgie vorzubereiten (ich entbehrte nehmlich fast aller Kenntniss von Kirchengebeten), und ausserdem manche Schreibereien zu übernehmen. So hat mir die Zeit zu malayal. Arbeiten gemangelt. Wegen der gerichtlichen Uebergabe des Missions-eigentums habe ich 2mal Besuche in Tellich. gemacht. Das letztemal (9 März) traf ich dort mit Herrn Inspector zusammen, und reiste mit ihm (am 10) nach Chiracal, am 13. weiter nach Taliparambu und (bis zum 15ten) nach Mangalore. Nachdem ich dort in Gemeinschaft mit Br. Ammann und Weigle den Liturgieentwurf ausgearbeitet hatte, kehrte ich 31. März hieher zurück. Indem ich mich und unser Werk Ihrer treuen Fürbitte empfehle, verbleibe ich mit besten Wünschen für das Gedeihen Ihres Dienstes am Reiche Ihr gehorsamer H. Gundert.