Aus dem Basler Archiv. + Tellicherry, 20. Okt. 1847. Verehrteste Komite! Durch Gottes Gnade sind wir endlich auch einmal ermächtigt, Ihnen nicht bloß Forderungen, Klagen und Hoffnungen aus Tellicherry zu schreiben, sondern auch von einem Werk zu berichten, das der Herr selbst angefangen hat, weil es mit dem unsern nicht recht vorwarts wollte. Nachdem ich vom 20.-25. Sept. unsern Thomas noch einmal in seine Heimat begleitet hatte, - eine Reise, auf der wir oft predigen konnten, deren Hauptzweck aber, nämlich Annäherung an Thomas' Frau und Verwandte, völlig mißglückte, hatte ich mit ihm nach Cannanore zu gehen. Er hatte nämlich früher dort mit Br. Hebich's Leuten einen Disput gehabt und sich für die Ehre unsrer Station, die dort sehr angegriffen wurde, nach Kräften gewehrt. Br. Hebich hatte briefliche Aussöhnung veranlaßt, wir wolltens aber auch mündlich abmachen. Br. Hebich kam vom Bazar zurück und empfing mich fast feierlich mit den Worten: "Der Herr ist mit mir!" Eine Bußbewegung hatte bei ihm angefangen, von der er gleich weissagte, sie müsse sich auch auf Tellicherry verpflanzen. Im Cannanore Gottesdienst vom 28. Sept. beteten einige der bußfertigen Knaben, darunter einer auch für Illicunnu (unsern Hügel in Nettur), wo so viel Finsternis sei. Timotheus und die übrigen Leute Hebichs waren ganz weich und demütig, Thomas und ich dabei recht ergriffen. - Am 3. Okt. hatten wir das h. Abendmahl, vor welchem unser Thomas und Joseph wie nie zuvor ihre Herzen ausleerten und heimlich gebliebenes gestanden. - Am 6. Okt. aber kommt Hebich herüber, "seine Sünden zu bekennen." Wir beteten den Vormittag zusammen (nur der liebe Christ. Müller war abwesend) indem wir zu vier unsre Sünden bekannten; Br. Hebich gab die ausführlichste Liste. Als wir zum Mittagessen aufstunden, war es als wären viele Teufel fortgetrieben, und um 3 Uhr sammelten wir unsre Leute, worauf Br. Hebich über 1. Timoth. 5,24 redete und erzählte, wie in Cannanore zuerst ein Knabe, dann mehrere, endlich auch die Tahe- und Tschirakal-Leute vom Geist Gottes gestraft, ihre Sünden bekannt haben. Es war große Stille und Aufmerksamkeit, und, nachdem er geschlossen, ritt Hebich guter Dinge nach Cannanore zurück. Beim Abendgebet wurde die Stelle aus dem Galaterbrief "Christus Fluch für uns" der Leseordnung nach vorgenommen. Gegen den Schluß stürzt Mark, der Ehebrecher, auf den Boden, wälzt sich und schreit furchtbar über seine Sünden, um Gnade, zu gleicher Zeit geht ein Schrei durch Knaben, Mädchen und viele der älteren, alles jammert, legt das Gesicht in die Hände, fleht um Erlösung aus Sünde. Ich suchte Mark zur Stille zu bringen, und lud Mattu dafür ein, seine Sünden zu bekennen; aber obwohl er kniete und schrie, dauerte das allgemeine Rufen fort, und nachdem ich in der Stille dem Herrn gedankt für so ungewohnte Musik, führte ich die Mädchen und Weiber mit mir fort. Irion blieb bei den andern, bis die ungestümste Bewegung vorbei war, und schloß mit Gebet. Der weibliche Teil wollte sich aber nach weiterem Gebet im Zimmer nicht so schnell fortschicken lassen. Ich hatte gleich Geständnisse zu hören, die Brüder ebenso. Mark hatte, besonders von Thomas bearbeitet, sich vor 2 Tagen von Gottes Geist strafen lassen, dann vom Teufel wieder entmutigt, eben an diesem 6. Okt. seinen Verwandten geschrieben, er wolle uns verlassen und wieder in die Welt zurücktreten. Spät in der Nacht beteten wir 3 Brüder noch zusammen und dankten für diesen oft erbetenen und doch kaum gehofften Tag des Herrn. - Was die lieben Brüder in den nächsten Tagen erfahren und tun durften, weiß ich kaum. Jeder von uns war in seinem Zimmer belagert. Morgens früh weckte mich der Ruf "atsha" (Vater) und herein stürzte Nathanael, mein Knecht, der nicht geschlafen, sondern unter Weinen und Schluchzen mit seinem neuverheirateten Weibe * Bekenntnisse ausgewechselt hatte. Den ersten Andrang hatte ich halbangekleidet anzuhören. So kam dann eins um das andre, besonders Weiber und Mädchen. Unter letzteren das Weib eines Hindu, ihm von einem Muhamedaner trügerisch abgeführt, und von der Straße und vom Elend her ins Spital, dann zu uns geliefert, Hagar mit Namen, am tiefsten ergriffen, sie konnte nicht mehr essen noch schlafen, nur weinen, bis sie sich einigermaßen ausgeleert und von der auch ihr offenen Gnadenquelle versichert hatte. - Am 9ten hatte ich nach Andscharkandi zu gehen, (zu Fuß, denn die Pferde waren eins gelähmt, eins am Sterben, eins närrisch, die Knechte alle bestürzt). Thomas ging mit und erzählte dort zuerst in der Schule den Kindern von unsrem bhucampa, "Erdbeben" wie ers nannte. "viele haben Feuer vor sich gesehen, andere entsetzliche Träume" u.s.w. Ich betete mit den Kindern, besuchte dann aber besonders unsres Katechisten Timotheus Haus und fand den Weg zu den Herzen vom Herrn geebnet. Nur ein Beispiel, in welcher Weise sie dort stehen. Ein heidnischer Jüngling hatte sich dienstfertig um Timotheus' Haus bemüht und Tags zuvor seinen 7jährigen Knaben in die nahestehende Kapelle genommen und unnatürliche Wollust mit ihm getrieben. - Sonntag 10. Okt. predigte ich über 1. Petri 4,17, nachdem ich im Gebet meine Andscharkandi Sünden vor der Gemeinde ausgesprochen. Die größte ist die, daß wir den Ananden so lange duldeten, der dort Ehebruch, Zauberei, Diebstahl u.s.w. furchtbar getrieben hat. Schon Michael war 1-2mal gefallen, Paul trank, Anandan führte es aber über alles Maß hinaus. Gestanden hat er die Ehebrüche, die Amulette, die ihm seinen Meister günstig machen sollten, die Zeremonien, die er vornehmen ließ von Heiden, als einmal seine im Ehebruch mit ihm lebende Schwägerin und gleich darauf ihre Mutter und Schwester und ein Tamil Christ in seinem Haus von Dämonen besessen wurden und tanzten, auch wie er 2mal abortus veranlaßt hat und dergleichen. Geständnis ist da, ob Buße, weiß Gott. Also das alles hatte ich zu bekennen und tats mit Tränen. Gleich darauf bekennt Gnanamuttu in der Kirche seine Sünden, Unzucht aller Art, falsch Zeugnis vor Gericht, Diebstahl und dergleichen. Als ich nachmittags nach der Predigt fortging, in der noch 2 bekannten, nahmen Timotheus und Thomas von den Willigen noch weitere Geständnisse ab. Gegen den Trinkteufel hatte ich besonders gebetet. Abends sah einer, der trotz inneren Abwehrens trinken wollte, ein feuriges Gesicht, und machte auch den andern Schrecken. Auch seither geht die Arbeit des Geistes, wie Timotheus schreibt, langsam, doch erfreulich fort, und wir werden jetzt "bald nicht mehr wie bisher dort zu seufzen haben;" Herr, gib uns nur wenigstens einen Anfang; sondern festen wenn auch kleinen Boden haben. - Am 11. Okt. hatten wir 4 Brüder unsre gewöhnliche 14tägige Beratung, in welcher uns der Herr schenkte, der Reihe nach unsre vielfältigen Versündigungen an einander zu bekennen, im Gebet, und dadurch Scheidewände, die manches Gebet verhindert oder verkümmert hatten, aus dem Mittel zu tun. Es ist wunderbar, wie dünn die Seile sind, an denen der Feind uns doch vielfach herumführt und Bruder dem Bruder ferne macht. Das ist uns der deutlichste Beweis, wie sehr diese Gnadenzeit ganz allein vom Herrn kommt, daß wir in derselben nicht uns zu erschöpfen hatten, sondern selbst viel mehr empfingen als wir den armen Leuten um uns zu geben (konnten) hatten. Ewig gepriesen sei auch dafür Sein heiliger Name. - Nun regten sich allerhand böse Sachen, die der Teufel benützen wollte, uns den Segen zu nehmen. Ein Weib preßte etlichen Mädchen ihre mir getane Geständnisse ab, und veranlaßte dadurch Geschwätz, Lügen und Gewissensbisse. Es war Milka, Mark's noch ungebrochenes Weib. Aber am 13. Okt. kommt sie selbst in Höllenangst nach einem Traum und bekennt ihre eigenen Sünden, um Hilfe und Gnade schreiend. Ihr und ihrem Manne geht es jetzt gut. Dagegen kam durch die Beichte eines kleinen Mädchens * der Geist des falschen Propheten an den Tag, der den armen Baker noch immer besessen hält. Er tut Buße ohne Ende, aber immer mit einem Rückhalt, und so, daß Unwahrheit noch ins Geständnis kommt, daher für ihn und gegen diesen Geist im allgemeinen besonders mit der Gemeinde gebetet wird. - 18.-20. Okt. war ich in Tschombala, wo Paul durch Beichte sich wieder erneuert fühlt und große Kraft zeigt, während alle, wie auch in Mahe, mehr oder weniger vom neuen Geist berührt sind. Ich nehme Matthai aus, der von Vadagara da war, und bei dem es bis jetzt nur zum Geständniß kam, daß er noch nicht wiedergeboren sei. Er und Jakob in Tschombala liegen uns besonders hart auf, aber auch hier in Tellicherry einige Ältere, die sich nicht erneuern wollten, dem Geist Gottes sich nicht aufgeschlossen haben, und also in demselben Wust bleiben, in dem die andern staken. - Und was ist das Resultat? Nach Zahlen wissen wirs nicht. Der Herr wird es an seinem Tage zeigen, wie er sich in diesen Tagen fast an allen als Lebendiger, nicht Toter, als verzehrendes Feuer, als Geist und Kraft erwiesen hat. Aber wie leicht wird Gnade vergeblich, d. h. zum Gericht empfangen. Daher nur soviel vom Resultat: Wir kennen jetzt das Satans Reich, in das wir gestellt sind, besser als vorher. Welche Sündenmasse da an den Tag kam! Kleine Mädchen schon fangen alle ihre Bekenntnisse mit Hurerei an, verübt, ehe sie hieher kamen. Eine erinnert sich nicht einer Zeit, da sie es nicht tat. Hurerei mit Mädchen und ihren Schwestern und Müttern, mit fremden Kasten, natürliche und unnatürliche Unzucht jeder Art ist das Gewöhnlichste. Kinder von bessern Familien gewöhnlich zuerst durch einen Knecht gelockt oder bedroht und so verführt. Kinderabtreiben sehr gewöhnlich, besonders auf Ehebruch, um Entdeckung durch die Gesichtszüge des Kindes zu verhüten. Ein im Ehebruch eines Christen mit einer Heidin gezeugtes Kind ist wegen der Gesichtszüge vom heidnischen Gatten erst vernachlässigt, dann als wie durch Zufall getötet worden. Die nächsten Verwandten sehen sich an als berechtigt zum ersten Beischlaf. Mapillas besonders Knabenschänder und Verführer unreifer Mädchen; Kaste * insgeheim durchaus nicht beachtet. Von vielen der heilige Name Jesus verspottet, seine Sache für nichts erklärt worden, wir selbst wurden von den Kindern rücklings ausgelacht und nachgeäfft. Von Lügen, Stehlen und Unredlichkeit aller Art nichts zu sagen, es fällt manchem erst nach und nach ein, was er zuerst vergessen hatte, obgleich entsetzliche Greuel darin waren. - Ein anderes auf der Hand liegendes Resultat ist, daß wir den Leuten näher und niedriger geworden sind. Von oben angesehen schien manches schon recht ordentlich. Jetzt mitten hineingestellt sehen wir, wie sehr es bei uns oft am Nötigsten fehlte. Den meisten waren wir eben auf Mosis' Stuhl tronende Vorgesetzte; wir mußten mit Strafworten inquirieren, taten wirs sanft, so erschien es den pfiffigen Herzen als Pfiff. Jetzt aber haben doch viele erfahren, daß wir sie lieben und ihr Bestes suchen, daß wir uns ihrer nicht schämen, sondern an ihrer Armut unsre eigene erst recht erkennen und hassen lernen. Wir haben mit jedem gebetet, das kam, und dadurch für die Einzelnen und Gesamtheit neu beten lernen; wir haben trösten dürfen mit dem Trost, damit wir getröstet sind, und beim Predigen sind die Mauern weg. - Daneben sehen Sie aber leicht ein, daß dies ein Anfang ist: der Teufel will es schon einigen als Ziel darstellen. Beten Sie also für uns, liebe Vorsteher, daß die unter Tränen gesäete Saat 30, 60, 100fältig Früchte bringe. Bitten Sie zum Herrn der Ernte, daß kein Reif, Hagel, Dürre und Ungeziefer die geweckten Keime vernichte! - Wir loben Gott dafür, Ihnen einen solchen Brief schreiben zu dürfen, da Sie schon Ursache hatten, Ihrer indischen Mission halb und halb zu mißtrauen. Und wahrlich, so viel auf uns ankam, war das Zweifeln am Ort. Verzeihen Sie uns aufs neue alle Sorge und Unruhe, die wir Ihnen gemacht mit Trotz und Verzagtheit jeglicher Art, mit allem ungebrochenen, gleichgültigen, richterischen Wesen, und nehmen auch Sie uns aufs neue an, wie der Herr uns, da wirs verdient hätten, nicht weggeworfen, sondern mit unerwarteter Freundlichkeit beschüttet und gesättigt hat. Er lasse uns und Sie immer getroster und eifriger werden in dem Werk, an das Er uns aus lauter Gnade berufen hat. In Seiner Liebe und Hoffnung vereint Ihr gehorsamer H. Gundert. 1Nach dem Bericht von Miss Fried Müller gedruckt Mögl's Traktat: über die Hindugötter (übersetzt von Gundert) ___600 Ex Luthers Leben (Br Gundert)_______________________200 " Kunst selig zu sterben ( "___"____)______________________1000 Frucht der Sünde __"___"____________________________200 Geschichte des Polycarp __"___"____________________________800 etc von Müller etc