Monsieur Monsieur L. Gundert, Stuttgart, Wurtemberg, via Marseille <6.>* An Bord des Nil 7 Jan 1847 <(Donnerstag)>* Liebe Eltern! Da wir Malta vor uns liegen haben und ich Gelegenheit haben werde etwas ans Land zu gehen, will ich auch ein Wort von hier aus an euch abgehen lassen, obgleich ich nichts wichtiges zu bemerken habe. Sonntag <3 Jan>* Abends - es wurde fast gar Nacht bis wir fertig waren - schifften wir uns nach Egypten ein: Die Kabinen sind ziemlich bequem, die Frauen nur durch 2 französ. Frauen beengt, sonst sehr gut placirt. Bei mir ein junger Kaufmannslehrling der nach Constantinopel will, 2 Engländer auf dem Weg nach Indien, ein französ. Stallknecht mit 4 normand. Pferden für die Maulthiergestüte des Pascha, ein algierischer Civiloffizier und ein paar Nondescript Personen. Montag 4 Morgens 8 Uhr fuhren wir hinaus, wurden bald ziemlich seekrank, ich ohne Erbrechen, Sophie Hochst. leicht, meine Frau erbrach sich auch einmal. Aber das Meer war so ruhig man mußte bald gesund werden. Schon am Dienstag waren wir alle auf dem Verdeck sahen ein Stück von Sardinien. Gestern am Mittwoch an der Bay von Tunis vorbei, sahen C. Blanc und C. Bon, die Insel Cimbre - und viele hüpfende Delphine die mit dem Schiff in die Wette schwammen. Die Schwestern sangen an beiden Abenden auf dem Verdeck, und ich mit. Dabei hörten wir, daß Mögling und seine Begleiter, die auf demselben Schiff gekommen waren (Novemb.) sehr schön gesungen haben. Bei ihnen war auch ein Jesuit, der Mögl in Latin bekehren wollte, nachher aber zu einem Offizier sagte Je n'ai pas r‚ussi. Haß gegen England der sich nur mühsam in Verachtung verkleidet ist bei den Offizieren überaus vorherrschend. Die Engländer auf dem Schiff sind todt, leichtsinnig oder stolz, so beschränken wir uns meist auf einander, haben englische und indische Studien vorgenommen und bringen so die Zeit schnell genug durch. Doch bleibt mancher Augenblick übrig, um ans liebe Würtemberger Land zurückzudenken, und die verlebten Monate Revue passiren zu lassen. Bald werden sie mir wie ein Traum vorkommen; ists mir doch als wäre ich erst gestern durch dieses Meer heimwärts gefahren. So gehen Gottlob Leiden und Freuden schnell genug an uns vorbei, und was sich von beiden bei uns angesetzt hat, wird erst beim Kassensturtz erkannt werden. Das aber spüre ich schon jetzt daß mir die Reise nach Europa von großem Segen war, indem sie mich wieder in die Zeit zurückversetzte wo man ohne selbst was zu thun von allen rings umher nur Liebe genießt, und sie annimmt als könnte es nicht anders seyn. Ausser dem Vaterhaus und ausser der vaterländischen Gemeinschaft findet man doch kein Plätzlein, wo man sich so ohne alle reflexion und reaction in die blos geniessende Kindheit zurückversetzen könnte. Natürlich! wir würden ja verzogen wenn das auch sonst wo noch zu haben wäre: und wir sind ja nicht zum Geniessen da, sondern zum Säen. Einstweilen merke ich daß ich beneidenswerth bin, schon hier auf Erden einen solchen Vorschmack der einstigen Genußzeit zu haben und mich daran zu weitern Erwartungen und Gebeten aufschwingen zu können. Ich will es mir auch aufs neue angelegen seyn lassen, meinen Hindu Christen mehr als bisher mein Haus zu einer rechten Heimath zu machen, weil doch nichts so sehr den Glauben weckt und stärkt, als die Gewißheit einer fortdauernden Liebe. Heute Nachmittag - oder gar erst Abends werde ich in Malta zu landen versuchen, etliche Briefe abg... und dann auch diesen auf die Post thun. Wir haben immer noch einige Stunden an das Felsennest zu fahren und den Ankerplatz zu finden. Heute Nacht um 12 oder 1 Uhr geht es dann wahrscheinlich weiter. Gottlob bis hieher alles gesund. Das Wetter angenehm, die Frauen den ganzen Tag auf dem Verdeck. Mit herzlichen Grüssen an Alle Euer Herrmann Gundert * Lieber Herrmann! Heute ist der 7 Januar. Weißt Du auch was da vor 3 Jahren geschah. Da hat der liebe Heiland unsern Friederich fortgenommen. Ich gehe jetzt wieder nach Nettur zurück, und werde auch das Plätzlein sehen wo wir ihn hingelegt haben, weißt dort neben Josephine. Ich dachte damals nicht daß schon nach 3 Jahren ihr alle auch fort seyn würdet: jetzt aber da es der liebe Gott so geschickt hat, ist mirs recht. Wenn dieß ankommt, wird bald mein Geburtstag seyn, da bittet ihr die liebe Mutter euch tshorum kariyum zu machen. Du weißt doch noch was das ist. Das eßt ihr dann und denket an Indien. Ich und die liebe Mutter werden es an dem Tag auch essen. Ja wir haben schon gestern Kari gehabt, aber keinen guten nur wie molagu tanni oder pepperwater. Hier sind schon viele cadappanni die sich im Meer herumwälzen: Jenny und die andern lachen darüber, weil sie das Spielen der großen Fische noch nicht so gesehen haben, wie wir als auf dem Weg nach Cannanur. Denkt ihr auch manchmal daran, wie ihr versprochen habt, den HErrn Jesum lieb zu haben, damit wir einst alle mit dem lieben Friederich zusammen kommen? Deine liebe Mutter grüßt Dich, sie liest im malayalam Testament. Grüsse Samuel und dem Christianele gib einen Kuß von Deinem Vater.